Reisende soll man nicht aufhalten – Stichwort Bikepacking

Es ist Sommer, es sind Ferien (für, naja, ihr wisst schon) und man nennt den Juli und August auch Urlaubszeit. Nicht alle haben im Sommer die Möglichkeit, auf eine ausgedehnte Reise zu verschwinden, dafür kann man vielleicht 2, 3 Tage frei nehmen und die Seele baumeln lassen. Zum Beispiel am Rad, mit leichtem Gepäck und schnellen Beinen. Das kann man dann Bikepacking nennen. Genau das haben wir vor Kurzem gemacht.

Es muss nicht immer Malle sein

Wir, also Michael (@cycloklops) und seine Frau Ina (@frauknoll) hatten die Idee, sich neue Eheringe zu machen, aus Gründen. Ein befreundeter Goldschmied aus der Steiermark war quasi Ziel der Reise, rundherum wurde eine Route mit Übernachtungen in St. Lorenzen und Eisenerz gebastelt. 3 Tage, 300 Kilometer, 3000 Höhenmeter. Kein Epos, aber durchaus Sport, schöne Gegenden mit Ausblicken und Geschichte, fertig ist der Kurzurlaubsalat.

Das Equipment

Links das Curve Belgie Ultra, rechts Inas Cannondale SuperSix Evo (mit Modifikationen, unter anderem Nabendynamo)

Wir haben uns fürs Rennrad entschieden, hauptsächlich wegen der Distanzen, die pro Tag zu überwältigen sind. Michael setzt auf sein neues Curve Belgie Ultra, Ina ist mit dem Cannondale SuperSix unterwegs. Als Gepäck kommen die “Arschtrompeten” von Ortlieb zum Einsatz, die sind groß genug für das Wenige, was wir in den nächsten Tagen brauchen, außerdem wasserfest, falls mal ein Regenguss kommt. Vorne fährt bei Ina eine Roadrunner Bags Jammerbag mit (das iPad musste mit, auch im Urlaub gibt es Arbeit zu erledigen), Michael hat sich die Restrap Toptube Adventure Bag draufgeschnallt, weil er so viel essen muss. Im Gepäck gabs “Abendbekleidung”, Badesachen, notwendige Toilettartikel, fertig. Für ein paar Tage bei nicht wechselhaften Wetter geht sich das gut aus, wenn die Reise länger dauert oder man mit unterschiedlichem Wetter rechnen muss, nehmen die Satteltaschen noch deutlich mehr auf und man kann sie dann auch mit anderen Packtaschen ergänzen, zum Beispiel unterm Oberrohr oder auch vorne.

Die Route

Die Routenplanung im Detail wurde mit einer Mischung aus Strava und Komoot gemacht, beides recht bekannte Tools mit Vor- und Nachteilen. Beide finden zum Beispiel offizielle Radwege nur mit Anstupsen und Nacharbeiten, es zahlt sich auf jeden Fall aus, ein wenig mehr Zeit zu investieren, um eine noch schönere Route zu finden. Wir haben mit unseren Wahoo Roams navigiert, mit einem Garmin oder Handy gehts natürlich auch, irgendeine Art von Navigationsgerät empfehlen wir von Herzen. Erfahrungsgemäß sind die Hinweisschilder für Radwege in Österreich nämlich recht gut versteckt, nur nach den Schildern zu navigieren kann sehr schnell in ein Abenteuer ausarten. Außerdem variiert die Güte der Radwege recht deutlich, vieles ist mit einem Rennrad nicht wirklich fahrbar, das fällt dann recht schnell in die Kategorie “Muss man wollen”. Jede Minute mehr in der Planungsphase erspart später Frust. Hier findest du “unsere” Route.

Die Umsetzung

Tag 1 brachte uns von Wien über den Semmering bis beinahe nach Bruck an der Mur bzw. genauer nach St. Lorenzen im Mürztal zum Roanwirt. Die Strecke ist Michael schon einmal gefahren, bissl über 140 Kilometer und 1100 Höhenmeter stehen auf dem Speiseplan. Nicht nix, aber gemütlich zu erradeln. Das Wetter ist prächtig, noch nicht zu heiß, der Wind kommt auch zumindest nicht aus der ganz falschen Richtung. Es geht flott dahin, in Bad Fischau gibts nach der Durchquerung des Wiener Neustädter Beckens (die einzige Passage, die wir am liebsten ausgelassen hätten, aber sie ist leider quasi alternativlos) die erste Pause. Nach einem der 3Gs wird nicht gefragt, aus Wien kommend eher eine Überraschung, aber nicht die erste der Reise. Oh well.

Nach Bad Fischau wirds pitoresk, man nähert sich über schöne Landschaften dem Semmering, in Gloggnitz füllen wir nochmal auf und dann gehts ab auf den Berg, im Schatten der angenehm kühlen Adlitzgräben. Die Auffahrt dort ist moderat von der Steigung hat, hat wenige kurze, nicht allzu fiese Rampen und man ist verhältnismäßig flott auf dem Semmering oben. Und Verkehr gibts auch so gut wie keinen, sehr angehm, vor allem bergauf. Oben am Gupf gibts ein Supperl, 100 Kilometer sind geschafft, die Höhenmeter sind quasi abgegessen und es geht bergab flott dahin Richtung Steiermark und erste Übernachtung.

Die Restrap-Tasche ist wasserfest, also auch schweißfest.

Rund um Mürzuzuschlag ist die Fahrt nicht immer angenehm, teilweise gibt es viel (schweren) Verkehr, die Rücksicht auf Fahrradfahrende ist nicht immer vorhanden. Daran muss man sich leider gewöhnen und das ist auch etwas, weshalb wir diese Art des Reisens nicht uneingeschränkt empfehlen können: LKWs, die mit 70, 80 km/h an dir vorbeidonnern, können den letzten Nerv rauben, vor allem, wenn man schon ein wenig müde ist. Für (Rennrad)AnfängerInnen ist das nix, das sollte man vorher schon mal erlebt haben bzw. üben (soweit das überhaupt geht). Das nur als leises Wort der Warnung.

Angekommen beim Roanwirt sind wir sehr happy mit dem Tag, das Zimmer ist phänomenal, das Essen hervorragend. 144 Kilometer sind geschafft und wir schlafen wie zwei zufriedene Steine (wenn denn Steine etwas wie Zufriedenheit fühlen können…).

Auffüllen.

Tag 2 zum Goldschmied

Wenn man mit wenig Gepäck reist, muss man das wenige Gepäck entsprechend waschen.

Am zweiten Tag haben wir erst relativ spät den Termin beim Goldschmied und gehen die ersten Kilometer entsprechend entspannt an. Das Frühstück ist üppig, die Pace niedrig, in Bruck an der Mur verweilen wir auf einen langen Kaffee und wundern uns, ob die Abteilungen für Stadtplanung von Kapfenberg, Bruck und später Leoben von der Tagespresse betrieben werden. Wenn man sich ein Bild machen möchte, was alles in Sachen Städtebau bei uns schiefgeht, dann ist das ein ganz guter Startpunkt, aber gut, ist halt so.

Der Goldschmied nimmt uns dankenswerterweise etwas früher als vereinbart in Empfang und stellt sich nicht nur als Mann vom Fach, sondern auch als Radlverrückter heraus. Wie unangenehm. Nach dem “Geschäftstermin” gehts für uns weiter nach Eisenerz, die steirische Eisenstraße hinauf über Präbichl. Ca. 50 Kilometer sinds da noch, und die haben es in sich, denn es ist unfassbar heiß.

Die voest sagt grias di.

Die Temperatur steigt und steigt, 2 Kilometer vorm Sattel haben wir um 16.00 Uhr herum 37 Grad auf den Wahoos. Und keinen Schatten. Und auch nicht mehr so viel Wasser. Das Tempo ist niedrig, der Anstieg schmiert sich ordentlich rauf, der Wind von hinten hilft nicht wirklich (leider auch nicht beim Kühlen) und wir haben ordentlich zu kämpfen.

Mit einigen Pausen und Motivationssprüchen schaffen wirs aber auf den Präbichl und drüber, wir kehren beim Erzbergblick ein und gönnen uns mal ein Eis. Der Blick auf den Erzberg ist surreal, dafür, dass wir seit 1300 Jahren an ihm herumklopfen, ist noch überraschend viel von ihm da und besonders an so einem verdammt heißen Tag steht er natürlich für einen irren Anachronismus. Nach der Pause gehts kurz und flott nach Eisenerz zum Eisenerzer Hof, ein Abendessen und ein paar Getränke später fallen wir auch am Tag 2 müde ins Bett und sind froh, diesen Brocken heruntergeschluckt zu haben. Insgesamt stehen jetzt knapp über 200 Kilometer und 2000 Höhenmeter am Zähler, wir sind müde, aber happy.

“Dieses Gefühl kann man nicht kaufen.”

Tag 3, der Leopoldsteiner See, Enns und Ybbs

Wir haben uns entschieden, vor der Hitze zu flüchten und früh zu starten. Das Frühstück im Eisenerzer Hof lassen wir aus, fahren direkt zum Leopoldsteiner See, der ein ziemliches Juwel darstellt. Ein herrlicher, naturbelassener Bergsee mit tollem Panorama, einer der Gründe, wieso wir uns für diese Route entschieden haben, und er enttäuscht nicht. Zum Reinspringen ist es zwar ein wenig zu kühl, das holen wir das nächste Mal nach, auch der Empfang im Leopoldsteiner Seestüberl ist etwas auf der frostigen Seite, aber wir lassen uns die Laune nicht verderben. Mit Kaffee und Frankfurter gefüllt gehts in die letzte Etappe, ca. 100 Kilometer und 700 Höhenmeter sind geplant, bissl bergauf, bissl bergab, bissl bergauf, bissl bergab. Eine Wolkendecke schützt uns vor der Sonne, die Temperaturen sind fürs Radeln perfekt und auch mit dem Verkehr haben wir an diesem Tag Glück. Ohne Pausen brausen wir bis Waidhofen an der Ybbs, wo wir einen kurzen Mittagsstopp einlegen. Die Fahrt durchs Ennstal ist herrlich, die Landschaft ein Traum, Radfahren, wie es im Buche steht. Auch das Höhenprofil ist ok, die Anstiege werden durch Abfahrten belohnt und wir können unsere Beine gut frisch halten. Auch das Ybbstal macht Freude, viele Ortschaften sorgen für Abwechslung, mal sieht man recht gut auf die tief liegende Ybbs, mal ist der Blick verstellt. Recht bald sind wir in Amstetten, können noch Gas geben, um den früheren Zug zu erwischen und kommen verschwitzt, aber sehr glücklich am Bahnhof an.

Lachlan-Style

Die Tour ist zu Ende, wir steigen in die Westbahn ein und sind dahin zurück nach Wien. 3 Tage, bissl mehr als 300 Kilometer, bissl mehr als 3000 Höhenmeter, viele, viele, viele Eindrücke später sind wir wieder am Startpunkt unserer Reise und freuen uns schon auf die nächste.

Ab nach Hause. Achtung: Bei der ÖBB muss man eigentlich immer reservieren, wenn man weiter als 15 Kilometer fahren möchte.

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